Was machte ein General und Hitler-Verschwörer 1946/47 in Eisenbach?

Von Julia Hartmann

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Ein Eintrag im amtlichen Meldebuch, der Rätsel aufgibt: Was machte ein deutscher Generalmajor nach Ende des Zweiten Weltkrieges in Eisenbach?

Fakt ist: Alexander von Pfuhlstein, geboren am 17.12.1899 in Danzig, war für ein halbes Jahr in Eisenbach gemeldet. Dies belegt das Eisenbacher Meldebuch aus der Zeit von 1930 bis 1949. Es ist dort handschriftlich in den Spalten notiert:

[Tag der Anmeldung] 1.9.46, Alexander v. Pfuhlstein, Treuhänder, [geb.] 17.12.1899, ev., verh. [verheiratet], Danzig [Geburtsort], [zugezogen von] Kreuzwertheim

Alexander v. Pfuhlstein, [geb.] 17.12.1899, ev., verh. [verheiratet], Danzig [Geburtsort], [Abmeldung zum] 21.2.47 [nach] Kreuzwertheim a. M.

Einträge im Eisenbacher Meldebuch von 1946 und 1947

Doch was trieb den Generalmajor von Pfuhlstein nach Eisenbach? Was tat er in dieser Zeit hier? Hatte es etwas mit seinem eingetragenen Beruf „Treuhänder“ zu tun? Welche Verbindungen hatte er hierher? Und wo genau war er untergekommen?

Oder war er hier vielleicht nur gemeldet, hat sich in Eisenbach tatsächlich aber so gut wie nie aufgehalten?

Trotz längerer Recherche konnten wir bislang keine Antworten auf diese Fragen finden und das Geheimnis hinter dem Meldebucheintrag nicht lüften. Eine interessante Persönlichkeit, die auf scheinbar mysteriöse Weise mit unserem Eisenbach verwoben ist, ist Alexander von Pfuhlstein aber allemal. Daher möchten wir ihm einen kurzen Artikel widmen:

Am 17. Dezember 1899 in Danzig geboren, ist Alexander von Pfuhlstein bereits von 1912 bis 1917 Teil der Kadettenanstalt in Potsdam-Lichterfelde und tritt als Fähnrich am 19. März 1917 der Armee bei. Im Dezember 1917 wird er zum Leutnant ernannt. Nach dem Ersten Weltkrieg geht seine steile Karriere weiter. In der „Division Brandenburg“ fungiert er später von Februar 1943 bis April 1944 als Kommandeur; im Juli 1943 wird er zum Generalmajor befördert. Weniger als ein Jahr später wird ihm das Kommando allerdings aberkannt wegen „politischer Unzuverlässigkeit“. Von Pfuhlstein hielt die Geschehnisse aus seiner Perspektive nach Kriegsende in „12 Abhandlungen über persönliche Erlebnisse“ schriftlich fest. Dort heißt es:

„Unmittelbar nach dem missglückten Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 versteckte ich mich auf einem Bauernhof abseits der Strassen in der Gegend von Wertheim am Main. Dort wollte ich einige Zeit warten, den Verlauf der weiteren Dinge verfolgen. Manche Flohen [sic!] in die Schweiz. Dieser Rettungsweg war für mich nicht möglich. Eine Flucht auf neutrales Gebiet hätte unabsehbare Folgen für meine Frau und für meine 6 kleinen Kinder nach sich gezogen.“

Aus: „12 Abhandlungen über persönliche Erlebnisse“, 24.06.1946

Die Gestapo scheint nicht auf seiner Spur zu sein. Er erhält im August ein neues Kommando in Ostpreußen, von Pfuhlstein wiegt sich kurz in Sicherheit.

Er täuscht sich.

Bereits am 1. September 1944 wird er wegen des Vorwurfs des Hochverrats festgenommen, ist politischer Häftling der Gestapo ihm wird vorgeworfen, Teil des Komplotts gegen Adolf Hitler und also Mitglied der Widerstandsgruppe um Graf von Stauffenberg gewesen zu sein. Am Tag seiner Festnahme verliert er Rang und Uniform. Zunächst wird er in Berlin festgehalten und von der Gestapo verhört; von Pfuhlstein erwartet, wie andere Widerstandskämpfer gehängt zu werden. Er bittet darum, als einfacher Soldat an die Front versetzt zu werden – aus Rücksicht auf seine Familie mit sechs kleinen Kindern. Diese Bitte wird nicht erhört, er entgeht aber dennoch der Todesstrafe. Stattdessen wird er im November 1944, nach 84 Tagen im Kerker, als politischer Häftling ins Konzentrationslager Küstrin überstellt. Gründe hierfür sind wohl, dass er ein mit höchsten (Tapferkeits-)Auszeichnungen dekorierter Militärangehöriger ist, eine große Familie hat und zuvor mehrfach verwundet wird. Im Januar 1945 kann er aber aus Küstrin fliehen und hält sich bis Kriegsende versteckt. Am 2. April 1945 stellt er sich schließlich freiwillig einer amerikanischen Einheit in Wertheim.

„Wie ist es möglich, dass ich lebe, inmitten meiner Familie, gesund, arbeits- und leistungsfähig? In allem Unglück, Leid, Not und Gefahr ist es eine ganze Kette glücklicher Zufälle und grosser, die Welt erschütternder Ereignisse, denen ich mein Leben verdanke:

Der Anschlag der ungarischen Soldaten auf meinen Kraftwagen. Der merkwürdige Zufall, dass gerade in diesem Augenblick der mir bis dahin unbekannte Gestapochef Kaltenbrunner in meinem Wagen sass.-

Die Treue, Charakterfestigkeit und Seelenstärke meiner Kameraden und Freunde der Berliner Verschwörerzentrale, die in den Tod gingen, ohne mich der Gestapo zu verraten. Der entscheidende Umstand, dass meine schriftlichen Befehle und Unterlagen für die Besetzung Berlins und zur Entwaffnung der SS-Artillerieschule am Tag des Umsturzes von der Gestapo nicht aufgefunden wurden.

Die Ungeschicklichkeit der Gestapo bei meiner Vernehmung.

Die ab Januar 1945 schnell eintretende Auflösung der Naziherrschaft.

Schliesslich die einmarschierenden amerikanischen Truppen, die ich in letzter Minute um Schutz bitten konnte.“

Aus: „12 Abhandlungen über persönliche Erlebnisse“, 24.06.1946

Das Seventh Army Interrogation Center der US Army hält in einem ursprünglich als „geheim“ eingestuften, heute aber frei einsehbaren, Dokument die Befragung des Alexander von Pfuhlstein vom 10. April 1945 fest. In einer persönlichen Einschätzung des amerikanischen Verhörbeamten wird von Pfuhlstein beschrieben als jemand, der mehr wie ein „businessman“ spreche und auftrete und weniger wie ein General. Weiter heißt es, es schiene, als habe von Pfuhlsteins Frau das Sagen in der Ehe. Von Pfuhlstein habe sechs Kinder, die wohl allesamt so erzogen worden seien, nicht an die Ideen des Nationalsozialismus zu glauben.

Zu seiner kurzen Zeit und seinem Treiben in Eisenbach ließ sich bislang nichts finden. Dieses kleine Kapitel seines Lebens liegt im Dunkeln. Doch das Rätsel wird sich vielleicht irgendwann lösen lassen. Dann werden wir an dieser Stelle berichten.

Recherche: Julia Hartmann und Christian Heinz

Quellen:

Meldebuch Eisenbach 01.01.1930 bis 31.12.1949.

Alexander von Pfuhlstein (1946): 12 Abhandlungen über persönliche Erlebnisse.

Seventh Army Interrogation Center der US Army (1945): The 20 July Putsch. Befragung von Alexander von Pfuhlstein. Ref No SAIC/2. 10. April 1945

Lexikon der Wehrmacht: Sonderverband Brandenburg. Division Brandenburg. https://www.lexikon-der-wehrmacht.de/Gliederungen/Divisionen/DivisionBrandenburg.htm (letzter Zugriff: 31.03.2025)

Wikipedia.de: Alexander von Pfuhlstein. https://de.wikipedia.org/wiki/Alexander_von_Pfuhlstein#cite_note-6 (letzter Zugriff: 13.04.2025)

Bild Alexander von Pfuhlstein: Von Maureru – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=105333006

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