Eine Spürnase auf der Fährte der Geschichte von „Haus Waldfrieden“

Der ehemalige Polizist Georg Horz hat sich auf Spurensuche begeben und schreibt hier, wie er längst vergessene und bisher unbekannte Details zur Geschichte von „Haus Waldfrieden“ recherchiert hat.

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Fast jeder Eisenbacher kennt es, das große Gebäude auf der Anhöhe rechts der Straße, die von der Bundesstraße 8 in den Luftkurort führt. Fragt man fünf verschiedene Personen nach der Geschichte von Haus Waldfrieden, erhält man fünf verschiedene Versionen.

Frank Noll von „Eisenbach Einst und Jetzt“ bat mich, einmal für die nachfolgenden Generationen nach der Wahrheit zu forschen. Er wandte sich an mich, weil meine Schwiegermutter – wie einige andere ältere Eisenbacher auch – im Haus Waldfrieden gearbeitet hatte. Das Gespräch mit Rita Brahm brachte einige Informationen. Mein Freund Stefan Hofmann, seine Mutter Gerti und sein Onkel Paul Grimm, die ebenfalls in dem Beherbergungsbetrieb gearbeitet hatten, wollte ich auch mit ins Boot holen, er verwies mich an Regina Haber, die das meiste Wissen haben müsste.

So kam es. Die – noch nicht abgeschlossene – Geschichte des Hauses Waldfrieden ist sehr eng mit der Lebensgeschichte von Regina Haber und ihrer Familie verbunden. Ich traf eine Gesprächspartnerin, die mit Feuer und Flamme aus ihrer Vergangenheit erzählte.

Die Wiege der 1948 geborenen Regina stand im nordrhein-westfälischen Castrop-Rauxel. Ihr Vater war Bergmann, ihre Mutter Köchin. Die Eltern gründeten an ihrem Wohnort gemeinsam mit Pfarrer Gerling das Familienferienwerk, das Eltern mit ihren Kindern in den Erholungsurlaub schickte. Man bedenke, wir sprechen von deutscher Nachkriegsgeschichte. Das Familienferienwerk hatte Häuser an der Nordsee, in Köln und auch in Bad Camberg das Gisbert-Lieber-Haus. Reginas Vater, ein begabter Handwerker, kümmerte sich als Hausmeister um die Einrichtungen. Ihm wurde die Stelle in Camberg fest angeboten. So kam Reginas Familie zu uns und bezog das ehemalige Isolierhaus.

Erst im Gespräch mit Regina erfuhr ich, dass es in Camberg früher ein Krankenhaus (für weitere Infos hier klicken) gab. Sie hatte noch 2 Schwestern, die beide in sozialen Berufen tätig waren, und einen Bruder. In Arzbach (bei Bad Ems) absolvierte sie eine hauswirtschaftliche Lehre und in Ahaus (nahe der holländischen Grenze) wollte sie ihren Abschluss als Hauswirtschafterin machen. Dazu gehörte auch ein Anerkennungsjahr. Bei der Suche nach einer entsprechenden Stelle wurde man im Haus Waldfrieden fündig, womit wir beim Thema wären.

Der Bau

Das Elternhaus von Peter JOOST, den alle nur Zöller Kobesse Peter nannten, stand in Eisenbach in der Grabenstraße 27. Die Liebe hatte ihn nach Nordrhein-Westfalen und dort nach Duisburg-Ruhrort verschlagen. Dort war er mit seinen Söhnen Klaus und Dieter im Baugewerbe als Verputzer sehr erfolgreich. Er erwarb und besaß zahlreiche Immobilien und brachte es zu einigem Wohlstand. Dies wollte er auch seiner Heimat Eisenbach zeigen und sich mit dem Haus Waldfrieden ein Denkmal setzen. Das Haus Waldfrieden baute er 1964/1965. Unterstützt wurde er dabei von seinem besten Freund Heinrich Haber, einem Baufachmann, der viele Baustellen leitete, aber aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig in den Ruhestand ging. Heinrich Haber bezahlte seinen Einsatz für das Projekt mit dem Leben. An einem heißen Sommertag im August 1966 starb er im Alter von 57 Jahren während der Bauarbeiten an seinem vierten oder fünften Herzinfarkt.  

In der Hauptsaison wurden die Gäste (schon damals waren die Sommerferien in den Bundesländern aufgeteilt) nach Eisenbach ins Haus Waldfrieden geschickt von

  • der gemeinnützigen Urlaubskasse der Bauindustrie in Wiesbaden
  • dem katholischen Fahrtenring des Bistums Essen

Die meisten reisten mit der Deutschen Bundesbahn an. Grimme Paul, Hausmeister und Fahrer, holte sie mit einem VW-Bus vom Bahnhof Niederselters ab und brachte sie wieder zurück.

In der Nebensaison vom 1. Oktober bis 01.05. stand das Haus auch anderen Gästen zur Verfügung.

Schon damals waren die ca. 20 Zimmer mit Dusche/WC ausgestattet. Kleine Kinder waren im Zimmer der Eltern untergebracht, größere schliefen, natürlich nach Geschlechtern getrennt, in Mehrbettzimmern unter dem Dach. Und hatten viel Spaß miteinander, jedenfalls viel mehr als mit den Eltern in einem Zimmer. Begrüßungs-, Spiel- und Singabende sorgten für jugendliche und elterliche Freude. Das Haus konnte bis zu 100 Gäste beherbergen.

Tennisplatz, Swimmingpool, Ponderosa (nach der Fernsehserie Bonanza benannt), Blockhaus mit Spielplatz, Minigolfplatz gegenüber im Wald, gebaut von Paul Grimm und Willi Möhring, Vogelvoliere, Ponyreiten (die Ponys hießen Jockel, Hansel und Teddy), Kutschfahrten, Pferde, Wildgehege, Streichelzoo und zwei Pfauen machten Haus Waldfrieden zu einem begehrten Urlaubsort. Nicht zu vergessen der Schäferhund Bessie, der zum Haus gehörte. Auch das schöne Taunusstädtchen Eisenbach verdankt dem Haus Waldfrieden das Prädikat „Luftkurort“, um das sich die Mitarbeiter sehr bemüht haben.

Kaum Kontakt mit der Eisenbacher Bevölkerung

Zurück zu Regina. Sie begann ihr Anerkennungsjahr am 17.03.1967. Und wurde noch 1967 zur Heimleiterin befördert, was mit ihrer Ausbildung eigentlich nicht vereinbar war, aber von Peter Joost kaschiert wurde. Er unterschrieb die Ausbildungsberichte an die Schule. Die bis dahin amtierende Heimleiterin hatte er in die Wüste geschickt. Reginas Vater wurde als weiterer Hausmeister eingestellt, ihre Mutter als Köchin und ihre Schwester, die eigentlich Krankenschwester gelernt hatte, als Hausdame. Gearbeitet wurde meist 7 Tage die Woche, die Bezahlung aller Angestellten bezeichnet Regina noch heute als „dürftig“.

Peter Joost und seine Familie lebten weiterhin in Duisburg, kamen aber an den Wochenenden und in den Ferien nach Eisenbach in ihr Haus Waldfrieden. Und ließen es sich bei gutem Essen und Trinken in geselliger Runde gut gehen.

Mit Ausnahme der Angestellten und deren Familien, mit denen er freundschaftlich und/oder verwandtschaftlich verbunden war, legte der Hausherr keinen großen Wert auf Kontakt und Kundschaft zur Eisenbacher Bevölkerung.  

1969 war für Regina ein besonderes Jahr, sie heiratete ihren Fredy und man zog in das Haus in der Wiesenstraße.

Übersichtskarte Eisenbach und Haus Waldfrieden EAB (oben)

Dunkle Wolken zogen auf

Die Bauflaute machte auch dem Hauptgeschäft von Peter Joost zu schaffen, die Geschäfte liefen schlechter. Er und seine Söhne zogen Geld aus dem Haus Waldfrieden ab. Die Mitarbeiter des Beherbergungsbetriebes mussten für den Einkauf von Waren jedesmal nach Duisburg fahren. Warum das geschah, haben Regina und die anderen Angestellten nie erfahren. Bei einer dieser Fahrten gab der Motor des VW-Busses den Geist auf.

Im März 1972 kündigte Regina. Sie war der Meinung, dass das Haus Waldfrieden in dieser Form keine Zukunft mehr habe. Das Ehepaar Zitzmann löste sie ab und konnte bei Peter Joost eine Konzeptänderung durchsetzen. Nun waren auch Eisenbacher willkommen und es konnten Hochzeiten, Geburtstage, Jubiläen und andere Feste im Haus Waldfrieden gefeiert werden.

Alfred "Fredy" Haber mit Nichte am Spielplatz neben dem Tennisplatz.
Alfred „Fredy“ Haber mit Nichte am Spielplatz neben dem Tennisplatz.

An dieser Stelle unseres Gesprächs gab Regina Haber Informationen wieder, die sie aus zweiter Hand erfahren und nicht selbst erlebt hatte. Inzwischen hatte ich Blut geleckt. Die Geschichte interessierte mich. Zusammen mit der Tochter Sabine des Ehepaars Zitzmann waren meine Frau und ich Mitglieder im Eschhöfer Fastnachtsclub. Also rief ich Sabine Syha an. Sie hat als Kind im Haus Waldfrieden gewohnt. Ihre Mutter Maria ist inzwischen verstorben, ihr Vater Peter, 86 Jahre alt, lebt noch und kann sich sicher gut an diesen Lebensabschnitt erinnern.

Familie Zitzmann übernimmt die Leitung

Peter Zitzmann konnte ich telefonisch erreichen. Er erzählte mir die weitere Geschichte. Er und seine Frau wurden am 15.03.1972 als Heimleiterehepaar eingestellt. Er kochte, seine Frau, eine gelernte Hotelfachfrau, führte das Haus. Das Ehepaar Zitzmann bewohnte mit seinen beiden Kindern die Dienstwohnung, Kost und Logis waren frei. Er und seine Frau führten das Haus zunächst im Auftrag von Herrn Joost bis zum 18.07.1977.

Das Ehepaar Zitzmann kümmerte sich in dieser Zeit auch um die Eisenbacher Kundschaft. Sonntags war das Haus zu Kaffee und Kuchen geöffnet. Meine Frau Martina feierte dort ihre Erstkommunion. Viele Frauen, darunter auch meine Schwiegermutter Rita Brahm, fanden im Hais Waldfrieden Arbeit. Sie waren vor allem beim Bettenmachen gefragt.

Regina Haber und "VW Käfer" im Hof von Haus Waldfrieden
Regina Haber und „VW Käfer“ im Hof von Haus Waldfrieden

Herr Zitzmann recherchierte nun auch in seinen Unterlagen, die meisten Angaben waren ihm aber noch präsent. Die Baufirma von Peter Joost musste im Juli 1977 Konkurs anmelden. Das Haus Waldfrieden wurde für 1,8 Millionen Mark an die EAB (Evangelische Arbeitnehmerbewegung) Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen (NRW) verkauft. Der neue Eigentümer führte das Haus weiter, das Ehepaar Zitzmann übernahm die Heimleitung.

Die Zitzmanns führten das Haus im Auftrag der EAB erfolgreich, es wurden schwarze Zahlen geschrieben, wobei die schwarzen Zahlen aus irgendwelchen Gründen nicht zu schwarz sein durften. Das Land NRW gab der EAB einen jährlichen Zuschuss von 300.000 DM. Irgendwann weckte jemand im Regierungspräsidium NRW schlafende Hunde und fragte, wo denn Eisenbach überhaupt sei. EAB-Geschäftsführer Korsch konnte trotz der Nähe zum rheinland-pfälzischen Diez nicht verhehlen, dass Eisenbach hessisch ist. So wurden dem Besitzer von Haus Waldfrieden die Zuschüsse gestrichen, was dann zur Aufgabe von Haus Waldfrieden zugunsten anderer EAB-Häuser in RP und NRW führte.

Der Gastronomie blieb das Ehepaar Zitzmann erhalten. Es übernahm zum 01.11.1982 die Kantine des Hessischen Justizministeriums in Wiesbaden. Dies war die letzte Station in ihrem gastronomischen Berufsleben. Herr Zitzmann hat mit 60 Jahren aufgehört.

Verkauf an IT-Unternehmen

Beim Verkauf der Immobilie war wohl auch ein Verkauf an die Zeugen Jehovas im Gespräch, die dort eine Krankenstation errichten wollten. Der Verkauf scheiterte am Preis von 800.000 DM. Zu welchem Preis das Haus Waldfrieden dann an die amerikanische Computerfirma ging, weiß Peter Zitzmann nicht mehr, aber der Verkaufspreis lag unter einer Million DM.  Wem das Haus heute gehört, kann er nicht sagen. Der amerikanischen Computerfirma blieben die Kunden weg, weshalb auch sie das Haus später aufgab.

Künftig ein Sporthotel mit Gastronomie?

Derzeit kursieren Gerüchte, dass ein Gastronom aus der unmittelbaren Nachbarschaft das Objekt erworben hat und es zu einem Hotel umbauen will. Angesichts der Tatsache, dass es in Eisenbach kaum noch Gastronomiebetriebe gibt, würde mich die Hotelvariante freuen. Auch deshalb, weil die jüngere Geschichte Eisenbachs mit dem Haus Waldfrieden eine Fortsetzung finden würde.  

1 Kommentar

  1. Sehr geehrter Herr Horz,
    vielen Dank für Ihre tollen Nachforschungen! Bei Busch Immobilien bin ich zufällig über die Verkaufsanzeige gefallen. Da ich einige Jahre in Eisenbach gearbeitet habe und oft an dem Haus vorbei gefahren bin hat es mich gefreut einmal mehr darüber zu erfahren.

    Mit freundlichen Grüßen
    Johanna Moos

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