Von Adalbert Kaiser
Karl Ricker pachtete 1928 einen Teil der Eisenbacher Jagd. Den Revierteil Haag bejagten bis 1945 Anton Gattinger, Gastwirt aus Eisenbach, und Alfons Steinebach, ebenfalls aus Eisenbach. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 wurde Herrmann Göring zum Reichsjägermeister ernannt. Er war in Sachen Jagd kein Neuling und verstand etwas von der Materie. Ein Hochwildrevier in der Rominter Heide, Ostpreußen, stand unter seiner Leitung und wurde später zum Staatsjagdrevier. Göring verabschiedete teilweise radikale Gesetzesänderungen im Sinne der damaligen Zeit, aber auch Gesetze, die heute noch Bestand haben.
Ab 1945 unterlag die Jagdhoheit den Amerikanern. Der Verbindungsoffizier Alex (Nachname nicht mehr bekannt) hatte seinen Sitz auf dem Hubertushof und war zuständig für die jagdlichen Angelegenheiten im gesamten Hintertaunus. Besagter Alex war ein zugänglicher Mensch. Seine Leidenschaft waren Drückjagden in großer Gesellschaft. Es wurden regelmäßig Jagden abgehalten, wo nur ausgesuchte deutsche Jäger teilnehmen durften, aber Karl Ricker gehörte immer mit dazu. Da ständig auf alles Wild gejagt wurde, blieb es nicht aus, dass die Wildbestände rapide abnahmen. Die Amerikaner jagten hier bis Ende 1947.
1948 wurde die Jagd erneut verpachtet und die Jagdhoheit kam zurück in deutsche Hände. Jagdpächter wurde Günther Krause, Geschäftsführer der Z.V.G. in Eisenbach. Zum Jagdaufseher wurde Adam Hartmann. Günther Krause gab die Jagd aus unbekannten Gründen bereits 1952 wieder ab. Noch im gleichen Jahr übernahm Dr. Kleine die Jagdpacht. Er war Direktor der Harz-Lahn-Erzbergbau-Gesellschaft mit Sitz in Weilburg. Karl Ricker wurde nun zum Jagdaufseher ernannt. In diesen Jahren bejagte Altbürgermeister Willi Köhler den separaten Revierteil Haag. Ebenfalls im Jahre 1952 wurde Dr. Kleine das Grundstück an der Schultheiß-Mühle zur Verfügung gestellt. Das Grundstück befand sich im Besitz der Firma Krupp, Essen, und hing mit der ehemaligen Silbererzgrube am Haag zusammen. Dr. Kleine ließ seine Gartenhütte in Weilburg abbauen und stellte diese an der Schultheiß-Mühle als Jagdhütte wieder auf, wo sie auch heute noch steht. Die Hütte war kein Schmuckstück, erfüllte aber ihren Zweck. Nun wurden im Revier Eisenbach regelmäßig Treibjagden mit Geschäftsfreunden abgehalten, einheimische Jäger waren dort nicht erwünscht. In den Jahren 1954 bis 1958 habe ich viel Zeit und auch so manche mondhelle Nacht gemeinsam mit Karl Ricker auf dem Hochsitz verbracht. Karl Ricker war nicht nur passionierter Jäger, sondern auch ein gefühlvoller Romantiker. Er hatte ein Blick für vieles in der Natur, was anderen verborgen blieb. Es war eine schöne Zeit mit ihm.
Als 1962 der Pachtvertrag von Dr. Kleine auslief, wurde die Jagd von Otto Zabel, Bauunternehmer aus Datteln in Westfalen, gepachtet. Zum Jagdaufseher wurde nun Adalbert Kaiser ernannt. Otto Zabel hatte schon die Reviere in Oberbrechen und in Niederselters gepachtet und nun kam auch noch das in Eisenbach hinzu. Leider hatte er nicht all zu lange Freude an der Eisenbacher Jagd, ihn ereilte 1964 während einer Treibjagd ein tödlicher Herzinfarkt. Für ihn war nun „Jagd vorbei“…
In diesen drei Jahren, als Otto Zabel die Jagd gepachtet hatte, gab es im Jagdrevier Eisenbach massive Jagdstörungen, es wurden zahlreiche jagdliche Einrichtungen beschädigt oder zerstört. Der Haupt-Jagdstörer wurde eines nachts nach einer Verfolgungsjagd mit dem Auto von Jagdpächter Zabel im Revier Eisenbach gestellt und zur Anzeige gebracht. Er war der Polizei kein Unbekannter.
Im Jahre 1965 übernahm Dr. Cramer den Pachtvertrag von Otto Zabel. Der Vertrag wurde um drei Jahre verlängert, damit Dr. Cramer eine komplette Jagdperiode von zwölf Jahren vor sich hatte. Dr. Cramer war Rechtsanwalt und Justiziar des Deutschen Roten Kreuzes, der Sitz seiner Kanzlei war in Frankfurt am Main. Bereits ein Jahr später, 1966, konnte Dr. Cramer das Grundstück an der Schultheiß-Mühle von Dr. Kleine käuflich erwerben und baute dort ein sehr schön gelegenes Jagdhaus. Dr. Cramer war ein guter Gastgeber und so wurde das neu errichtete Jagdhaus auch zum Empfang seines großen Bekanntenkreises genutzt. Der bisher prominenteste Gast war der russische Botschafter in Bonn, Herr Zarabkin.
Im September 1971 kam im Revier Eisenbach ein kapitaler vierzehnender Kronenhirsch zur Strecke. Die Freude über dieses Ereignis war natürlich groß. Dem erlegten Hirsch wurde am Jagdhaus nach altem jagdlichem Brauch nach Einbruch der Dunkelheit im Fackelschein mit Hörnerklang die letzte Ehre erwiesen und anschließend totgetrunken. Dr. Cramer legte großen Wert auf jagdliches Brauchtum. Auf der Trophäenschau in Limburg erhielt besagter Hirsch den silbernen Bruch, die höchste Auszeichnung, die eine Trophäe erreichen kann. Auf der Trophäenschau des Rotwildgebietes Taunus in Kelkheim erhielt dieser Hirsch ebenfalls den silbernen Bruch. Es war der stärkste Hirsch, der 1971 im Taunus zur Strecke kam. Im Jahre 1974 erhielt das Revier Eisenbach die Hegemedallie in Gold. Ein Lohn für den nachhaltigen Umgang mit der Natur in dieser Zeit!
Dr. Cramer verstarb im Dezember 1974. Sein Schwiegersohn Hans Leisler übernahm fortan die Jagdleitung und führte die Jagd noch für die Hälfte einer Pachtperiode weiter. In diesen sechs Jahren wurde es ruhiger im Jagdhaus Cramer. Lediglich kleine Treibjagden wurden mit Freunden abgehalten, der größte Teil des vorgegebenen Abschusses wurde jedoch vom Ansitz aus erfüllt. In den letzten Jahren trat das Rotwild in Hof Hausen und Eisenbach massiert auf und die Wildschäden im Feld waren trotz massiver Verhütung sehr hoch. In all diesen Jahren wurde der entstandene Schaden durch den Wildschadenschätzer Bernhard Bös, Orts-Landwirt aus Eisenbach, bewertet. Er verstand es, bei der Schadensregulierung stets sowohl den Landwirten als auch dem Jagdpächter gerecht zu werden, was nicht immer einfach war, aber dennoch herrschte ein einvernehmliches Verhältnis zwischen diesen beiden Parteien. Die Ära Cramer-Leisler ging Ende März 1983 nun gänzlich zu Ende. Das Jagdhaus an der Schultheiß-Mühle wurde von den Nachkommen nur noch selten genutzt.
Im Jahre 2011 pachtete Stephan Füll aus Wiesbaden die Jagd in Hof Hausen und mietete gleichzeitig das Jagdhaus Cramer. Somit wurde das Jagdhaus seinem Namen wieder gerecht.