Wie eine Eisenbacher Familie 1923 nach Chicago auswanderte

Von Frank Noll

0
4295
Anna Maria Schuhmacher, geb. Bös

Hohe Arbeitslosigkeit und Wirtschaftskrisen haben viele Menschen in der Zeit der Weimarer Republik veranlasst, ihr Glück in Amerika zu suchen. Wie groß die Not war, zeigte sich im November 1923, als in Camberg bei einer Demonstration gegen die allgemeine Teuerung die Arbeitslosen „von Erbach, Oberselters, einige von Niederselters und von fast ganz Eisenbach“ teilnahmen. Es wurden Schilder getragen mit der Aufschrift „Nieder mit dem Wucher!“, „Hängt die Schieber!“ oder „Gebt uns Arbeit und Brot!“.

Chicago in den 1920er Jahren

In den Chicago war es die Zeit von Al Capone, dem berühmtesten aller Gangsterbosse. Die Metropole war zur Zeit der Prohibition berüchtigt und galt als Hauptstadt des Verbrechens. Chicago war aber noch mehr: wegen Ihres Eisenbahnknotenpunktes eine wichtige Handelsstadt und Hauptstadt des Jazz, mit bekannten Größen wie Louis Armstrong.

Etwa ein Drittel der Einwohner waren deutschstämmig und Anfang des 19. Jahrhunderts sehr angesehen. Das änderte sich jedoch in Folge des Ersten Weltkrieges.

Unter diesen Gegebenheiten wagte die Eisenbacherin Anna Maria Schuhmacher, geborene Bös, 1923 im Alter von 65 Jahren einen mutigen Schritt. Sie – Hausfrau und seit vier Jahren Witwe, wanderte gemeinsam mit Ihrer ebenfalls verwitweten Tochter Käthe bzw. Katharina (34 Jahre alt, Witwe von August Kaiser aus Eisenbach) nach Chicago aus. Ebenfalls mit dabei waren Enkeltochter Marie (5) und der Großneffe und Maurergeselle Wilhelm Schnierer (20).

Ein Jahr zuvor ließen sich ihre Tochter Bertha mit ihrem Eisenbacher Mann Peter Franz Hartmann und den beiden Töchtern und 1903 bereits ihre Tochter Margret in Chicago nieder. Margret gebar in Chicago einen Sohn.

Auszug aus der Passagierliste der „George Washington“ mit den Namen der vier Eisenbacher.

Die Eisenbacher Emigranten reisten zunächst nach Bremen, wo Anna Maria (Passagier-Nr. 279) und ihre Angehörigen am 21. September 1923 mit dem Schiff „George Washington“ in der III. Klasse und insgesamt rund 2.000 Passagieren nach New York ablegten. Die Überfahrt dauerte 10 Tage. Am 1. Oktober 1923 in New York erreichend, wurden alle Ankömmlinge auf Ellis Island registriert und mussten sich einer medizinischen Untersuchung unterziehen. Von New York aus sind die Eisenbacher dann vermutlich mit der Eisenbahn weiter nach Chicago gereist, wo sie von Ihren Verwandten empfangen wurden.

Anna Maria Schuhmacher, geb. Bös und Peter Schuhmacher (ca. 1895).

Anna Maria, geboren 1858 in Eisenbach und der Maurer Peter Schuhmacher, geboren 1850 in Eisenbach, heirateten 1880, wohnten in der Grabenstraße und hatten sieben Kinder, von denen eines bereits im Kindesalter starb. Peter Schuhmacher starb 1919 im Alter von 68 Jahren in Eisenbach. Seine Frau starb am 5. Oktober 1932 mit 74 Jahren in ihrer neuen Heimat Chicago.

Von den Kindern blieb lediglich Tochter Anna, die später Wilhelm Karst heiratete, in Eisenbach wohnen. Sie starb 1967 im Alter von 85 Jahren.

Frank Noll

Anmerkung: Nachkommen des Ehepaares leben in Langenfeld, Chicago und in Kalifornien. Wer Informationen zu heute noch in Eisenbach wohnenden Nachkommen oder Verwandten hat, möge sich bitte unter info@eisenbach-einst-und-jetzt.de melden.




Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.