Die Legende von den brennenden Schwänen

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Vor mehr als 400 Jahren war es, noch ehe der schreckliche Dreißigjährige Krieg unsere Heimat verwüstete. Da saßen an einem dämmrigen Herbstabend eine Gruppe „Haare“ (Zigeuner) da, wo damals der Häuser Bach vor seiner Einmündung in den Eisenbach ansehnliche, schilfumrandete Tümpel bildete. Die Flasche kreiste. Spott- und Witzworte flogen hin und her, man wartete auf die Weiber, die im nahen Eisenbach auf Bettelfahrt waren.

Da zog ein unheimliches Rauschen in der Luft die Aufmerksamkeit der Männer auf sich. In pfeilgerade ausgerichteter Reihe kamen große Vögel geflogen, flatterten über der Stelle umher, an der die Zigeunerbande jetzt beutewitternd und unbeweglich lagerte, und ließen sich auf die Tümpel nieder. ,,Wilde Schwäne, Höckerschwäne“, stellte der weitgewanderte Anführer der Bande, der weißbärtige Janusch, halblaut fest, während seine flackernden Augen gierig jede Bewegung der stolzen, jetzt aber vom weiten Flug ermatteten Vögel verfolgten, die sich den verschilften Ufern der Tümpel näherten.

Weiß Gott, wodurch sie auf ihrem Flug nach Süden gerade in diese Gegend verschlagen worden waren. Schnell hatte Janusch seine Befehle gegeben. Die Schwäne sollten ihm nicht entgehen. Langsam und vorsichtig gingen jetzt einige junge Burschen ins seichte Wasser, schlichen behutsam an der Schilfwand entlang und stürzten sich plötzlich auf die aneinandergedrängten, ruhenden Vögel, Decken und Tücher über sie werfend. Wirklich gelang es ihnen, mehrere der starken, wehrhaften Tiere zu fangen und mit Freudengeheul zum Lagerfeuer zu schleppen, das die inzwischen eingetroffenen Weiber entfacht hatten. Wie freute sich die johlende Schar schon auf die leckeren Braten!

Was aber nun geschah, war das Werk weniger Augenblicke! Als der vorderste der Burschen gerade sein Messer gezogen hatte, um seinem Opfer die Kehle durchzuschneiden, raffte der stolze Vogel in Todesangst noch einmal alle Kraft zusammen, bekam seine mächtigen Schwingen frei und schlug sie seinem Peiniger gegen den Kopf, dass dieser, fast betäubt, den Schwan fahren ließ. Als hätte das Beispiel des Gefährten sie angespornt, rissen sich auch fast alle anderen Schwäne los. Flüche, Schreie, Verwünschungen; eine ungeheure Verwirrung brach am Lagerfeuer aus. Man versuchte, die Schwäne wieder zu greifen, einige von diesen gerieten dabei in die Nähe der Flammen, ihr Gefieder fing Feuer. In letzter Not erhoben sich die brennenden Vögel in die Luft und zogen eine schaurige Spur in den dunkelnden Himmel in der Richtung auf Eisenbach.

Das Dorf lag damals noch mit den meisten seiner strohgedeckten Häuser unmittelbar am Eisenbach, etwas südlich des jetzigen Dorfes. Dieser schöne Herbsttag hatte wie jeder Tag seine Maß an Arbeit, aber auch an Segen gebracht. Nun wollte man zur Ruhe gehen. Ein verspäteter Bauer kam rumpelnd über die holprige Dorfstraße gefahren. Da schreckte der Bauer von seinem Sitzbrett hoch. Er traut seinen Augen nicht. Aus der Richtung des Herrenwaldes kommen feurige Wesen aufs Dorf zugeflogen – die brennenden Schwäne. Ehe der Mann die furchtbare Gefahr für das Dorf begriffen hat, ist das Unglück schon geschehen.

Zu Tode ermattet, stürzt einer der brennenden Vögel nach dem anderen auf die Dächer der Häuser, der Scheunen, der Ställe. „Feurio!“ schreit nun der Bauer in das ruhende Dorf, dass die Menschen in den Stuben und Kammern erschreckt auffahren und ins Freie eilen. Da sehen sie, wie schon die ersten Dächer, die ein heißer regenarmer Sommer monatelang ausgedörrt hat, in Flammen aufgehen.

Schnell eilen Beherzte mit Kannen und Eimern zum Bach, greifen zum Feuerhaken, um die brennenden Dächer abzureißen. Zu spät! Der Südostwind hilft dem wütenden Element. Die Eisenbacher können nur noch daran denken, sich selbst und ihr Vieh zu retten. Der junge Morgen bescheint eine wüste Stätte von Schutt und Asche, in der man hier und da das verkohlte Skelett eines Schwanes findet. Die Menschen von Eisenbach waren vom Unglück geschlagen, doch nicht gebrochen. Sie bauten auf, aber nicht an der gleichen Stelle. Sie setzten ihre Häuser weiter nördlich, mehr in die Nähe ihres Gotteshauses, das schon lange dort stand. Um aber immer an das Unglück gemahnt zu werden, nahmen sie den stolzen Vogel, den Schwan, in ihr Gemeindewappen, wenn er für Eisenbach auch einst ein Unglücksvogel war.

Autor: Paul Altmann (aus dem Eisenbacher Heimatbuch, 1984)

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